2023
Weite-Reihe-Getreide mit blühenden Untersaaten im ökologischen Landbau von Dr. Julia Walter und Dr. Andreas Butz
Wie erzielt man möglichst hohe Erträge und fördert zugleich die Biodiversität mit blühenden Untersaaten in Weite-Reihe-Getreide? Mit dieser Frage beschäftigen sich Fachleute am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) in zwei Praxisversuchen seit 2019. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Agrarökologie und Biodiversität in Mannheim (ifab) befassen sie sich mit geeigneten Untersaatenmischungen, Düngeniveaus und Aussaatzeitpunkten in Sommergerste und Winterweizen. Dabei geht es vor allem darum, Trachtlücken für Bestäuberinsekten durch die Etablierung von Nektarpflanzen auf dem Acker zu schließen. Doch auch für Feldvögel ist die Maßnahme attraktiv. Anfang Juli stellte das Team bei einer Versuchsbegehung mit Teilnehmern aus der Praxis, Forschung und Beratung auf dem Versuchsgut Stifterhof bei Odenheim im Kraichgau die bisher wichtigsten Ergebnisse vor.
Pflanzenbauliche Herausforderungen sind groß
Pflanzenbaulich ist die Maßnahme komplex, das bestätigten die anwesenden Landwirtinnen und Landwirte, die die Maßnahme bereits ausprobiert hatten. Je nach Versuchsjahr wirkten sich die Untersaaten gar nicht auf die Erträge aus. Teilweise gab es aber Einbußen von über 30 % im Vergleich zur Normalvariante, fasste Dr. Julia Walter, Leiterin des Sachgebietes Biodiversität, Klimaschutz am LTZ, die Ergebnisse zusammen. Zwar seien Rohproteingehalt oder TKG nicht durch die Untersaaten beeinflusst, der Besatz im Erntegut sei aber oft erhöht und damit auch das Hektolitergewicht leicht niedriger. Zudem sei in nassen Jahren gegebenenfalls eine Nachtrocknung aufgrund erhöhter Restfeuchte nötig.
Die Herausforderung bei der Maßnahme Weite-Reihe-Getreide mit blühenden Untersaaten ist, die Untersaat gut zu etablieren, aber so, dass keine starken Konkurrenzeffekte entstehen. Im Wintergetreide ist daher ein leicht früher bis normaler Aussaatzeitpunkt für Getreide und Untersaat passend. Die Versuchsergebnisse zeigen, dass bei zu früher Aussaat die Untersaat sehr stark wird und sich negativ auf die Erträge auswirkt. Bei später Aussaat kann die Untersaat sich kaum etablieren, woraus eine stärkere Verunkrautung resultiert. Außerdem hatte eine von Weidelgras dominierte Untersaat stärkere negative Ertragseffekte als leguminosenreiche Mischungen. Eine stärkere Konkurrenz um Stickstoff dürfte die Ursache sein. Auch Landwirtinnen und Landwirte berichteten, dass die Untersaat zu stark werden, in manchen Jahren hingegen nicht etabliert werden kann. Daher wünschten sich die Anwesenden, dass gerade bei pflanzenbaulich herausfordernden neuen FAKT II-Maßnahmen wie den „Blühenden Untersaaten in Weite-Reihe-Getreide“ (E13.2) der Praxis mehr Flexibilität eingeräumt wird.
Maßnahme fördert viele Insekten
Unabhängig von diesen Problemen profitiert auf jeden Fall die Artenvielfalt, insbesondere Insekten, von der Maßnahme: am LTZ Augustenberg wurden zahlreiche verschiedene Bestäuber in den Maßnahmenparzellen beobachtet. Die Versuchsergebnisse zeigen, dass die Anzahl an Blütenbesuchern insgesamt und auch die Anzahl verschiedener Bestäubergruppen mit dem Artenreichtum der Untersaat steigt. Dies hängt wohl mit der Blütenvielfalt zusammen: „Wir haben dann eben nicht nur Hummeln und Honigbienen, die vor allem auf die Kleearten fliegen, sondern auch viele Schwebfliegen am Koriander oder kleinere solitäre Wildbienen am Leindotter“, berichtete Dr. Julia Walter. Dies sei der Hintergrund, dass am LTZ und auch im FAKT II-Programm so artenreiche Mischungen eingesetzt werden. Auch Doris Chalwatzis, Mitarbeiterin beim ifab im Projekt „Blühsaat“, bestätigte, dass im bundesweiten ifab-Projekt in den Untersaatenbeständen mehr als doppelt so viele Insekten registriert wurden als in den „Normalparzellen“.
Neuer Versuch untersucht Unkrautregulierung und -unterdrückung
Die Rückmeldung vieler Landwirtinnen und Landwirte, die die Untersaat im Wintergetreide gerne erst im Frühjahr nach einer Unkrautregulierungsmaßnahme etablieren würden, sowie die Erfahrungen mit Verunkrautung, haben zur Konzeption eines neuen Versuches am LTZ Augustenberg geführt. Dieser konnte nun vor Ort besichtigt werden. Sechs verschiedene Varianten der Untersaatenetablierung werden hierbei untersucht. Zudem gibt es eine Normalvariante als Kontrolle. In den Untersaatenvarianten wird das Getreide entweder in weiter Reihe (doppelter Saatreihenabstand) oder in Doppelreihen (zwei „normale“ Reihen mit 15 cm, dazwischen zwei geschlossene Säschare mit 45 cm zwischen den Getreidereihen) ausgesät. Letzteres soll vor allem einer im Frühjahr gesäten Untersaat mehr Licht verschaffen und bei der Etablierung helfen. Die Untersaatenmischung wurde entweder im Herbst zusammen mit der Wintertriticale oder Ende März beim Striegeln ausgesät. Auch „Leervarianten“ ohne Untersaat wurden etabliert, um den Unkrautdruck vor Ort zu erkennen und das Potential der Untersaat zur Unterdrückung von Unkräutern genauer zu beleuchten. Aus bisherigen Untersuchungen ist bekannt, dass die Untersaat gegen besonders konkurrenzstarke Ungräser und Unkräuter, wie Ackerfuchsschwanz oder Kratzdistel, nicht ankommt. Weniger konkurrenzstarke Samenunkräuter können hingegen im Wachstum durch die Untersaat gehemmt werden.
Bei der Besichtigung des Versuches zeigten sich trotz Trockenheit die im Herbst ausgesäten Untersaaten noch grün, teils blühten Horn- und Rotklee. Die im Frühjahr ausgesäten Untersaaten blieben sehr klein. Hier kamen auch stärker einige Unkrautarten wie Mohn zum Vorschein.
Die Versuchsansteller betonten, dass es in diesem Versuchsjahr, im zweiten Jahr nach der Umstellung auf ökologischen Landbau, insgesamt sehr gut geklappt habe. Die Triticale sei gesund und zeigte sich weder stark verunkrautet noch zu sehr durch die Untersaat beeinträchtigt. Der Blühaspekt der Untersaat litt nun zwar unter der Trockenheit, bis Ende Mai waren die Bestände jedoch sehr farbenfroh, mit Leindotter, gefolgt von Inkarnatklee, Lein und Koriander in Blüte. Hervorgehoben wurde auch, dass die Bestände in den meisten Jahren bis zum Spätsommer sehr gut und dicht aufwachsen und relativ unkrautfrei sind. Die in Trockenjahren oft schwierige Etablierung einer Zwischenfrucht entfällt und der artenreiche Bestand kann im Folgejahr auch als pflanzenbaulich attraktive GLÖZ 8-Brache angerechnet werden. Viele der anwesenden Praktikerinnen und Praktiker beurteilten die Etablierung einer Zwischenfrucht als Untersaat als eine sinnvolle Option in Zeiten des Klimawandels.
Die Veröffentlichung erster Versuchsergebnisse, verbunden mit pflanzenbaulichen Empfehlungen des LTZ Augustenberg, ist für Ende des Jahres geplant. Der Versuch wird noch für zwei Jahre an zwei Standorten, einem ökologischen auf dem Stifterhof und einem konventionellen in Rheinstetten, weitergeführt.
Am 22. Mai fand die erste Veranstaltung der Reihe FORSCHUNG.FELD.PRAXIS zum KLIMACrops1-Versuch „Temporäre Mulch- und Direktsaat in Winterweizen und Körnermais im Ökolandbau“ am Versuchsfeld in Buggingen statt. Zu den rund 20 Besuchern zählten unter anderem Projektpartner mit langjähriger Direktsaaterfahrung des FiBL aus der Schweiz, die neue Projektleiterin von KLIMACrops Johanna Bodendorfer von der CRAGE sowie einige Öko-Landbau-Berater.
Die Versuchsbetreuenden Caroline Schumann und Simon Schmidt stellten den Anwesenden den Versuchsaufbau sowie den bisherigen Ablauf des Versuchs vor. Entlang der Parzellen wurden die fünf verschiedenen Varianten verglichen. Im Anschluss zur Versuchsvorstellung hielt der Direktsaatexperte Jan-Hendrik Cropp von der under_cover GbR einen Impulsvortrag zur Direktsaat im Ökolandbau. Zudem präsentierte er Spatenaushübe der fünf Varianten und gab einige Erklärungen zur Beurteilung ihres Bodengefüges. Abschließend wurden Erfahrungen und Anregungen in geselliger Runde ausgetauscht.
Nach dem Event steht schon bald der Drusch des Versuchs an sowie das Anlegen der zweiten Versuchsfläche in Teningen. Im kommenden Jahr wird es einen Feldtag geben, an dem beide Standorte besichtigt werden.
1 = Das Projekt KLIMACrops „Strategien zur Anpassung von Ackerbausystemen an den Klimawandel und deren Beitrag zum Klimaschutz am Oberrhein“ wird von INTERREG VI-Oberrhein und dem MLR finanziert.